Bitte nicht stören!“ –
kein Personalgespräch während Krankheit!

LAG Nürnberg, Urt. v. 01.09.2015 – Az.: 7 Sa 592/14

Sachverhalt:
Eine Arbeitnehmerin erhielt nach sechsjähriger Betriebszugehörigkeit ein Änderungsangebot des Arbeitgebers. Dieses wollte sie in Ruhe überdenken, wohingegen der Arbeitgeber auf eine kurzfristige Entscheidung drängte. Daraufhin meldete sich die Mitarbeiterin für insgesamt drei Monate arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber sprach eine Kündigung aus. Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit forderte der Arbeitgeber die Mitarbeiterin mehrfach auf, an einem Personalgespräch teilzunehmen, ohne konkrete Themen des Gesprächs zu benennen. Als sie dieser Aufforderung nicht nachkam, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut. Die Arbeitsgerichte mussten über die Wirksamkeit der Kündigungen, und über die Frage entscheiden, ob die Weigerung zur Teilnahme an einem Personalgespräch während der Krankheit einen Kündigungsgrund darstellt.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Nürnberg befanden die Kündigungen für unwirksam. Das Verfahren wird jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache derzeit noch vor dem Bundesarbeitsgericht fortgeführt (Az.: 2 AZR 855/15).

Rechtsgründe:
Die Frage, ob ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, auch während der Zeit einer Erkrankung an einem Personalgespräch teilzunehmen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden.

Die Frage dreht sich darum, wie weit sich die Weisungen eines Arbeitgebers, mit denen er die Arbeitspflichten des Arbeitnehmers bestimmen kann, erstrecken können. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber berechtigt, einen Arbeitnehmer zur Teilnahme an Personalgesprächen zu verpflichten.

Dies gilt nach Ansicht des LAG Nürnberg jedoch nicht in Zeiten, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Da der Arbeitnehmer während der AU von der Erbringung der Arbeitsleistung befreit ist, kann der Arbeitgeber in dieser Zeit auch keine Weisungen an ihn erteilen. Dabei kommt es zudem nicht darauf an, ob der Mitarbeiter – trotz der AU – gesundheitlich in der Lage wäre, an einem solchen Personalgespräch teilzunehmen.

Hinweis:
Die Entscheidung des LAG Nürnberg stärkt zunächst die Rechtssicherheit für arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter, die während ihrer Erkrankung grundsätzlich vor Maßnahmen des Arbeitgebers geschont werden sollen. Das Gericht trifft hier eine klare Abgrenzung zwischen Zeiten der Arbeitsfähigkeit, in denen der Mitarbeiter an vom Arbeitgeber angesetzten Personalgesprächen teilnehmen muss, und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, in denen keine diesbezügliche Verpflichtung des Arbeitnehmers bestehen soll.

Arbeitnehmer können insofern mit gutem Gewissen ein solches Gesprächsangebot ablehnen, wohingegen Arbeitgeber – wollen sie etwas über den Gesundheitszustand eines Mitarbeiters und die Möglichkeiten der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses während einer Arbeitsunfähigkeit erfahren – zumindest konkret darlegen müssen, welches überwiegende Interesse besteht, während der AU ein Personalgespräch zu führen, d. h. welche dringenden, unaufschiebbaren Gründe für ein solches Gespräch gegeben sind.

Keine Aussage trifft das Gericht allerdings zu der Frage, ob sich dies auch auf die Teilnahme an Gesprächen im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements beziehen soll. Hier bleibt zunächst die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abzuwarten, ob dieses der Linie des LAG folgt und weitere Konkretisierungen vornimmt.

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